Das Schwarzbuch zum Tunnelprojekt

(Stand Mai 2018)

Die Entscheidung gegen Südring und für den Tunnel beruht auf gezielter Falschinformation und Täuschung der Bahn

2001 legt die Bahn dem Stadtrat eine Studie (Machbarkeitsstudie 2001) vor, in der beide Alternativen Südring und Tunnel verglichen werden. Das Fazit: Beide Alternativen sind gleichwertig, was die verkehrlichen Aspekte betrifft mit leichten Vorteilen des Tunnels. Die Kosten wurden für beide mit jeweils 0,5 Mrd. Euro angegeben. Nur ein Jahr vorher hatte der damalige Verkehrsminister Wiesheu die Kosten den Südringausbau noch mit 250 Mio. Euro (500 Mio. DM) beziffert und den Tunnel mit 0,5 Mrd. Euro. Indem 200 Millionen Euro unbelegter Kosten für den Umbau des Ostbahnhofs einfach dazu gerechnet wurden, waren beide Projekte plötzlich gleich teuer. So einfach geht das! 

Damit fällt die Entscheidung für den von der Bahn und dem Wirtschaftsminister favorisierten Tunnel. (Kurz danach übernahm Wiesheu einen lukrativen Vorstandsposten bei der Bahn.) Die massiven Einwände der Fachwelt (PRO BAHN) werden ignoriert, genauso wie die Zweifel an den vergleichsweise hohen Kosten für den Südring. Seitdem haben sich die Kosten des Tunnels verachtfacht. Die "leichten" Vorteile des Tunnels bestanden im Wegfall des sog. Kopfmachens am Ostbahnhof. Dieser Vorteil ist mit der Aufgabe des Südasts  inzwischen entfallen. 

Die unrühmliche Rolle des Dr. Wiesheu hat damit aber noch nicht ihr Ende gefunden. Im Jahr 2006 schlägt der Sachverständige des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins Dipl-Ing. Ralf Porzig der Der DB AG eine Methode vor, um die ernorme Belastung der Innenstadt durch den Abtransport des Materials per LKW von der Baustelle am Marienhof durch 40-Tonnen-LKWs zu verhindern. Dr. Wiesheu, inzwischen vom Verkehrsminister zum wohlbestallten Vorstand bei der DB umgestiegen, lehnt den Vorschlag mit der Begründung einer Zeitverzögerung ab. Seitdem sind 13 Jahre vergangen, ohne dass mit dem Bau des Tunnels - er sollte 2010(!) in Betrieb gehen - begonnen wurde. Auch an den OB Reiter wurde diese, die Stadt schonende Alternative herangetragen. Er setzt sich nicht dafür ein, für ihn sind 40-Tonner alle 3 Minuten in der Maximilianstraße kein Grund zur Beunruhigung. Er muss sich ja auch um die Radwege kümmern.
 

Die eigentlichen Projektziele werden nötigenfalls manipuliert

In der Entscheidungsvorlage (Machbarkeitsstudie 2001) wird der 10-Minuten-Takt auf allen Linien als Hauptziel des Projekts angegeben. ("Für die Zukunft gilt es daher das S-Bahn- System für einen 10 Minuten-Takt auf allen Außenästen zu ertüchtigen. Betriebsstörungen auf der hochbelasteten Stammstrecke müssen durch eine Alternativstrecke umfahren werden können.") Die Tieferlegung des Tunnels führt zu enormen Problemen und Kostensteigerung. Von 6 geplanten Stationen werden nur 3 gebaut und der Südast Richtung Giesing entfällt ganz. Zur Rechtfertigung des Projekts werden nun systematisch die Ziele manipuliert. Der allgemeine 10-Minuten-Takt (2001) verschwindet und im Planfeststellungsbescheid des EBA (2016) heißt es dann: ".....im Störfall (ist) eine alternative Fahrmöglichkeit in die Münchener Innenstadt zu schaffen."

Damit sind alle vernünftigen Gründe für die Alternativlösung Südring plötzlich irrelevant. Alles was lange Zeit offizielle Meinung der Stadt zur zweiten Stammstrecke war, insbesondere zur Sternstruktur und zum 10-Minuten-Takt, gilt plötzlich nicht mehr. Das Bayerische Verwaltungsgericht stellt (folgerichtig) in seinem Beschluss vom 12.2.2018 lapidar fest: "Die Fragestellung, inwieweit die bestehende Stammstrecke durch ein anderes Verkehrsprojekt (gemeint ist der Südring), das wesentliche Projektziele (z.B. die Bereitstellung einer Entlastungs- bzw. Ausweichstrecke (gemeint ist: in die Innenstadt) für den Störungsfall und damit die Aufrechterhaltung der wesentlichen Verkehrsbeziehungen) nicht verfolgt, entlastet würde, betrifft nicht die Prüfung der Planrechtfertigung und Trassenalternativen für das strittige Vorhaben."
Der Südring als Alternative ist damit von vornherein ausgeschlossen - er ist ein "anderes Projekt" - , obwohl das die längste Zeit die favorisierte Lösung der Stadt München, aller Fahrgastverbände und der unabhängigen Bahnfachleute war.

Die Öffentlichkeit wird mit dreisten Lügen für dumm verkauft

einige Beispiele:

1) In der TZ vom 30.1.2017, also kurz vor dem berühmten Spatenstich am 5.4.2017, erklärt der Bahnsprecher Bernd Honerkamp, die Stammstrecke sei mit 840 000 Fahrgästen täglich schlichtweg überlastet. Tatsächliche fahren auf der Stammstrecke 220 000 Personen täglich, Tendenz seit Jahren stagnierend. Die Zahl 840000 gibt es auch, das sind die täglichen Fahrgäste im gesamten S-Bahn-Netz.
Auch die AZ fällt in ihrer Ausgabe vom 24.2.2017 auf diesen billigen Trick herein, sie schreibt:
"....Die Strecke durch die Innenstadt ist chronisch überlastet.........derzeit werden dort rund 840000 Fahrgäste pro Tag befördert."
2) Bahnchef Rüdiger Grube, der am 24.10.2016 den Finanzierungsvertrag mit der Staatsregierung unterschreibt, nennt einen guten Grund für den Tieftunnel und Antenne Bayern berichtet am 22.12.2016 berichtet darüber: "Grube sprach von einem historischen Schritt. Es gehe bei dem Projekt nicht nur darum, die aktuelle Zahl der Züge durch die Innenstadt von 32 auf 54 zu erhöhen. Sondern auch....u.s.w." Nun werden nach Fertigstellung und für lange Zeit 33 Züge fahren, das sind gerade mal 3 mehr als heute. Weiß er es nicht besser oder behauptet er es einfach? Das eine so schlimm wie das andere!
3) Nachdem die Kritik an dem Tunnelprojekt immer heftiger wurde und konkrete, bessere Lösungen aufgezeigt wurden, sahen sich Staatsregierung und damaliger OB Ude gezwungen,  im Jahr 2009 eine weiteres Gutachten zur Alternative Südring in Auftrag zu geben. (Der OB hat diese Studie als "sonderpädagogische Maßnahme" für die Kritiker angekündigt und in dieser Arroganz wurde sie auch erstellt.)  Zur "großen Überraschung" war der Südring inzwischen so teuer wie der Tunnel (1,3 zu 1,5 Mrd. Euro).

Das war die wundersame Verfünfachung der Südring-Kosten,  oder anders gesagt, der Ausbau einer bestehenden oberirdischen Trasse sollte genau so teuer werden wie ein etwa gleich langer 40 Meter tiefer Tunnel. Das hat man in der Staatskanzlei, im Rathaus und leider auch in den meisten Münchner Medien anstandslos geschluckt! Wohlgemerkt, das war zu Beginn der Finanzkrise, in einer Zeit als eine Milliarde noch kein Peanut war.

4) Die Bürgerinitiative kritisierte die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen und schlägt in Anlehnung an andere Städte einen separaten Rettungstunnel vor. Die Stellungnahme der DB in der Anhörung am 31.1.2014 lautet: "Bei einer Tunnelröhre mag ein durchgehender Flucht- und Rettungsstollen angezeigt sein, hier entspricht er allerdings nicht dem Stand der Technik und wird auch von den einschlägigen Fachkreisen weder gefordert noch befürwortet."

Im Zuge der Bekanntmachung der 4. Planänderung in Haidhausen im Juli 2019 begründet der Projektleiter M. Kretschmar, die Entscheidung für einen eigenen Rettungstunnel der  " ....auf der Grundlage einer neueren EU-Verordnung getroffen werden konnte.(!!!!)"

Als ob es so eine Verordnung der EU für eine vernünftige Lösung braucht, die eh allseits bekannt ist. Schade, dass die Münchner Medien nicht mitdenken. Die Dreistigkeit, mir der die DB
vernünftige Argumente hinwegwischt ist schon beeindruckend.

Da der Tunnel aus Steuermittel finanziert werden soll,  besteht der Verdacht auf Subventionsbetrug

Der Tunnel ist unwirtschaftlich, er darf nicht aus Steuergeldern finanziert werden. Mit Steuergeldern geförderte Verkehrsprojekte müssen nachweisen, dass sie einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen. Der Nutzen muss größer sein als die Kosten der Investition. Für den Nachweis ist in der Bundesrepublik die sog. "Standardisierte Bewertung" zwingend vorgeschrieben. Sie liefert als Ergebnis einen numerischen Wert, die Nutzen-Kosten-Relation (NK-Wert). Nur wenn dieser Wert größer als 1 ist, darf ein Projekt subventioniert werden.

Eine Überprüfungen der NKU (Nutzen-Kosten-Untersuchung) der Firma Intraplan von 2011 und der NKU von 2016, Grundlage des Subventionsantrags, ergaben in beiden Fällen, dass der geforderte Mindest-Nutzen nicht erreicht wird. Der NK-Wert liegt weit unter 1. Die negativen Werte bedeuten, dass der Tunnel nicht nur keinen Nutzen hat, er erzeugt im Betrieb sogar einen volkswirtschaftlichen Schaden, z.B. indem Fahrgäste wieder auf den PKW umsteigen. (Weitere Details hier und auf WikiReal)
Nachdem zwei unabhängige Gutachten den Verdacht auf eine manipulierte Nutzen-Kosten-Rechnung erhärtet haben wurde seitens der Fraktion der Linken im Bundestag Strafanzeige wegen Subventionsbetrug gestellt. Die Staatsanwaltschaft in München sah, auch nach Widerspruch, keinen Grund ein Verfahren zu eröffnen. Wen wundert das noch? Aber das ist zum Glück noch nicht das Ende dieser Geschichte.

Die Interessen der Industrie wiegen mehr als die der Fahrgäste

Ein Bericht des Stern vom 7.10.2010 über Stuttgart 21 zeigt, wie im  Hintergrund die Fäden geknüpft werden, um ein Projekt wie S21 zu befördern. Im "Weinberghäuschen" treffen sich die Protagonisten aus Politik, Industrie und Medien. Bei den Medien ist die Südwestdeutsche Medien Holding  (SWMH), zu der unter anderem die "Stuttgarter Zeitung", die "Stuttgarter Nachrichten" und auch die "Süddeutsche Zeitung" gehören, federführend. Da überraschen die unkritischen Berichte der SZ zum Tieftunnel nicht mehr so sehr. Und natürlich ist auch Martin Herrenknecht, der Inhaber der Firma Herrenknecht, des besten Tunnelbauers der Welt mit von der Partie. Wie passend wäre doch nach Fertigstellung der Tunnels in Stuttgart ein Anschlussauftrag in München!
Siehe dazu auch WikiReal (Hintergründe der Entscheidung?)

Die Bauindustrie hat natürlich Interesse an dem Projekt. Das ist normal. Aber man erkennt offensichtlich die problematische Planung und möchte das Risiko gerne auf den Auftraggeber und damit den Steuerzahler abwälzen. Honni soit qui mal y pense.

Ein Bahnvorstand zeigt Unkenntnis in der Sache aber Gespür für seinen persönlichen Nutzen

Am 25.10.2016 schließen Staatsregierung und Bahn eine Finanzierungsvereinbarung im Umfang von 3,84 Mrd. Euro

und München.TV vom 22.12.2016 berichtet: "(Bahnvorstand) Grube sprach von einem historischen Schritt. Es gehe bei dem Projekt nicht nur darum, die aktuelle Zahl der Züge durch die Innenstadt von 32 auf 54 zu erhöhen." In Wahrheit werden es aber nur 33 Züge sein, gerade mal 3 mehr als heute. Für die 54 Züge des Herrn Grube fehlen leider noch auf lange, lange Zeit die Voraussetzungen auf den Außenstrecken. Die Pendler die ihm glauben, werden nach der in der Ferne liegenden Fertigstellung maßlos enttäuscht sein.
Für Herrn Grube aber, hat sich die Reise nach München gelohnt. Am 30. Januar 2017 verließ der Bahnchef für  Außenstehende überraschend den Bahnkonzern. Er erhielt dabei für 30 Tage Arbeit als Bahnchef nicht nur 2,3 Millionen Euro, er hat seither auch mindestens drei verschiedene Jobs angenommen, in denen sein Insiderwissen als Ex-Bahnchef buchstäblich Gold wert ist. Einer davon ist Berater der Tunnelbaufirma Herrenknecht!!
Winfried Wolf ging auf diese Umstände in einer Rede ein, die er am 26. März auf der 410. Montagsdemonstration in Stuttgart hielt.

 

Bürgerbeteiligung: FEHLANZEIGE

Begründete Kritik an dem Projekt wird bestenfalls ignoriert. Wenn es eng wird, polemisiert man gegen die unliebsamen Autoren. Der eigentliche Kritikpunkt wird nicht zur Kenntnis genommen, man wähnt sich unantastbar. Ein Beispiel:

Nachdem die entscheidende Nutzen-Kosten-Untersuchung (Faktor 1,05) Ende 2017 bekannt wurde, hat die Vieregg-Rößler GmbH in einer Studie festgestellt, dass die Berechnung der Reisezeiten nach den Vorschriften der Standardisierten Bewertung zu einem NKF-Wert weit unter 1,0 führt. Somit wäre das Projekt nicht mehr förderfähig. Die Studie wurde dem zuständigen Minister Herrmann zur Kenntnis gebracht. Dessen Antwort vom 23.5.2017 lautet:

"Der von VR gewählte Ansatz, anhand von gegriffenen Annahmen und darauf aufsetzenden sehr vereinfachten Rechnungen, zu anderen Reiszeitsalden zu gelangen, hält einer fachlichen Prüfung nicht stand."

Diese fachliche Prüfung fand niemals statt. Dazu hätte man das eigentliche Rechenwerk, die Berechnung der Reisezeitenänderungen im Mitfall, die viel zitierte Excel-Tabelle die in der Unterlage an den Staatsminister nicht dabei war, anfordern müssen. Das ist aber weder vom Ministerium, noch von der DB und auch nicht von der Firma Intranet erfolgt. 

Somit steht fest: Die Studie wurde niemals, weder im Ministerium noch bei der DB, noch von der Firma Intraplan ernsthaft gelesen. Man hat sich mit der Begründung  "der Autor hat das falsche Studium" und weiterer persönlicher Polemik gegen  die Firma begnügt. Eine Formel die nicht neu ist, sondern auch in anderen Zusammenhängen (z.B. im Verfahren am VGH) von Bahn-Mitarbeitern gerne verwendet wird. Eine maßgeblichen Münchner Zeitung hat hier sehr früh die Vorreiterrolle gespielt.

Keine Rücksichtnahme auf die Bürger (und Touristen)

Ein Alternativkonzept zur oberirdischen Abfuhr der Erdmassen beim Bau der zweiten Stammstrecke würde die katastrophale Belastung der Innenstadt, der Bürger und der Umwelt vermeiden. Es wurde erstmalig im Jahr 2006(!) von der DB (Vorstand Dr.Wiesheu, der vorher als Wirtschaftsminister den Tunnel durchgesetzt hatte und dann zur DB ging!) mit der Begründung einer Terminverschiebung und seitdem immer wieder, zuletzt 2018 (vom EBA, Dr.Gronemeyer und dem OB Reiter) abgelehnt. Nun sind seitdem 13 Jahre vergangen und der eigentliche Tunnelbau hat noch immer nicht begonnen. Der DB sind die Bürger und die Umwelt ziemlich wurscht und die inzwischen 20-jährige Terminverschiebung wurde nicht zum Nachdenken genutzt. Alle vernünftigen Einwände werden ignoriert, bestenfalls kategorisch zurückgewiesen. Und so wird es in der Maximilian- und der Einsteinstraße aussehen [Foto]

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Martin Runge, MdL zieht Bilanz (Dez. 2017)