Dr. Martin Runge, 10.01.2013
(
Anm: Der Text wurde 2013 erstellt. Seitdem gibt es neue Verlautbarungen seitens der Staatsregierung zur Finanzierung, das Genehmigungsverfahren ist inzwischen weiter gegangen. Die Kritikpunkte sind weiterhin gültig.)
 

Zum Phantomprojekt 2. Münchner S-Bahn-Röhre – Argumente und Fakten

 

1     Zu den Kosten und zur Finanzierung

2     Die Röhre als Engpass?

3     Zur Behauptung, Verbesserungsmaßnahmen auf den Mittel- und Außenästen wären nur sinnvoll nach Realisierung der zweiten Röhre

4     Zum „alle und alles seligmachenden“ Betriebsprogramm 6T

5     Keine Anbindung des S-Bahnhofes Laim an die Sendlinger Spange

6     Verschieben des Südastes auf den St.-Nimmerleinstag

7     Zum Stand in den Genehmigungsverfahren und zur Forderung zu einem Moratorium erst nach Erlangung der Baureife

8     Nochmals unsere grundsätzlichen Kritikpunkte an der 2. Röhre

9     Unsere Alternativvorschläge

 

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1     Zu den Kosten und zur Finanzierung

Wir, die GRÜNEN im Bayerischen Landtag, haben uns von Anbeginn an (Vereinbarung zwischen der Staatsregierung und der Spitze der LH München im Mai 2001) gegen das Projekt 2. Münchner S-Bahn-Röhre positioniert. Unsere Argumente damals wie auch heute lauten: die Kosten in Milliardenhöhe würden in keinem tragbaren Verhältnis zum bescheidenen Nutzen stehen, für zigtausende von Fahrgästen würde es zu massiven Verschlechterungen in Form von zusätzlichen Umsteigezwängen und Taktausdünnungen kommen, Brandschutz- und Sicherheitskonzept sind völlig unzureichend. Auch haben wir stets kundgetan, dass die mögliche Finanzierung des Projektes mit seinen Milliardenkosten wirklich wichtige Vorhaben in ganz Bayern kannibalisieren würde, und dass wir massive Zweifel an der Finanzierbarkeit und an den vorgelegten Finanzierungskonzepten haben.

Während sich die Kostenangaben von offizieller Seite für die 2. Münchner S-Bahn-Röhre in den Jahren 2000 und 2001 zwischen 500 und 600 Millionen Euro bewegten, wird aktuell von der Staatsregierung (für den Aufgabenträger Freistaat Bayern) und von der DB AG (als Projektträgerin) von Kosten zwischen 2,2 und 2,6 Milliarden Euro ausgegangen (jeweils einschließlich Planungskosten und Kosten für netzergänzende Maßnahmen).

X-mal verkündete die Staatsregierung, dass die Finanzierung und damit die Realisierung des im Jahr 2001 beschlossenen Projekts in trockenen Tüchern seien. Doch immer wieder sind die Finanzierungsgebäude in sich zusammengebrochen. Staatsregierung und CSU im Landtag, später dann auch die FDP, tönten stets, dass der Bund etwa die Hälfte der Projektkosten übernehmen würde. Dabei war von Anbeginn klar, dass vom Bund nur ein kleiner Teil der von Bayern lauthals reklamierten Summe für die 2. Röhre zu erwarten sein würde. Ausweislich der Beantwortung parlamentarischer Anfragen und anderer Quellen ging die Staatsregierung selber auch immer nur von 100 Millionen bis zu maximal 200 Millionen Euro an Bundesförderung aus.

Seit der Bahnreform Mitte der 90er Jahre sind die Länder zuständig für den SPNV. Bayern ist Aufgabenträger für die S-Bahn und zwar nicht nur für den Betrieb, sondern auch für Investitionen. Der Bund kann letztere ab einer bestimmten Größenordnung fördern, dies aber stets „unter Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. Bayern war eines der Bundesländer, die maßgeblich die Föderalismusreform und damit das Auslaufen des GVFG-Bundesprogrammes angestoßen haben. Jeder in der Staatsregierung kennt die Dotierung des GVFG-Topfes beim Bund. Von daher war allen Beteiligten immer klar, dass der Bund nicht viele hundert Millionen Euro oder gar mehr zum Bau der 2. Röhre beisteuern würde.1

Die im Frühjahr 2012 lauthals vorgetragenen Forderungen der Staatsregierung nach einer Vor- bzw. Mitfinanzierung der 2. Röhre durch die Landeshauptstadt München und die Umlandkommunen waren nichts anderes als ein ebenso plumpes wie unverschämtes Ablenkungsmanöver. Opfer der Großmäuligkeit der Staatsregierung sollten jetzt nicht nur die S-Bahn-Fahrgäste, sondern auch die Kommunen sein. CSU und FDP tönen auf der einen Seite vom ausgeglichenen Haushalt und vom bald schuldenfreien Staatshaushalt und erdreisten sich auf der anderen Seite, Kostenlasten auf die Kommunen abzuschieben.

Just nach dem Bürgerentscheid in München gegen eine dritte Start- und Landebahn für den Flughafen MUC II wurde seitens der Staatsregierung (Ministerpräsident Seehofer und Finanzminister Söder) wie auch des Münchner Oberbürgermeisters Ude vorgeschlagen, sich von der Flughafengesellschaft München das Gesellschafterdarlehen in Höhe von 492 Millionen Euro (Freistaat Bayern 250 Millionen Euro, Bund 128 Millionen Euro, Landeshauptstadt München 114 Millionen Euro) zurückzahlen zu lassen und die Gelder dann in das Projekt 2. Röhre zu stecken. Abgesehen davon, dass es unklar ist, ob der Bund hier mitmacht und auf welchem Wege die Mittel überhaupt umgewidmet werden dürfen und können 2, gibt es hier weitere offene Fragen und Kritikpunkte. So würden auch die knapp 500 Millionen Euro bei weitem nicht ausreichen um die Finanzierungslücke zu schließen. Zweifelhaft sollte es eigentlich auch sein, dass die CSU im Landtag eine solche Lösung überhaupt mittragen wird, bei der mehr und mehr Landesmittel in das Münchner Projekt 2. Röhre fließen sollen. So hatten bis Anfang 2012 zahlreiche Vertreter der Staatsregierung wie auch der CSU im Landtag betont, den Anteil des Freistaats nicht noch einmal erhöhen zu wollen, schließlich gäbe es in ganz Bayern dringliche Projekte und Begehrlichkeiten nach deren Realisierung. In Verhandlungen mit der Landeshauptstadt München erklärte die Staatsregierung, namentlich Vertreter des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums: „Der Freistaat ist bereit, zusätzlich zu seinem Anteil (rund 950 Millionen Euro) weitere 350 Millionen Euro vorzufinanzieren, sofern der Bund eine Rückzahlung rechtsverbindlich zusagt. Der Freistaat hat Verantwortung für ganz Bayern. Weiter als die zusätzliche Vorfinanzierung von 350 Millionen Euro kann der Freistaat deshalb nicht gehen.“ (Ergebnisprotokoll der Besprechung am 13. Januar 2012 zur Vorfinanzierung der 2. Stammstrecke in München).

Zu Zeils und Seehofers famosen Finanzierungskonzept von Ende November 2012

Am 27. November 2012 verkündeten Bayerns Ministerpräsident Seehofer und Staatsminister Zeil den Durchbruch bei der Frage der Finanzierung der 2. Münchner S-Bahn-Stammstrecke (Seehofer: „Der entscheidende Durchbruch ist gelungen.“ Zeil: „Der Weg für die 2. Stammstrecke ist frei.“). Minister Zeil präsentierte in einer Pressekonferenz folgende Eckpunkte des neuen Finanzierungskonzeptes: Als Projektkosten, „nominalisiert“ bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme (ausgegangen wurde hier vom Jahr 2019), wurden 2,047 Milliarden Euro angegeben. Dies ist ein deutlich niedrigerer Betrag, als zuvor von DB AG wie auch von der Staatsregierung selber genannt (Im Dezember 2011 hatte beispielsweise das Bayerische Wirtschaftsministerium eine Kostenhöhe von 2,2 Milliarden Euro verkündet.). Finanziert werden sollten/sollen diese Kosten laut Staatsregierung durch a) 923 Millionen Euro freistaatlicher Mittel, b) 257 Millionen Euro GVFG-Bundesmittel, c) 492 Millionen Euro aus dem letztverbliebenen FMG-Darlehen (251 Millionen Euro Freistaat, 113 Millionen Euro LH München, 128 Millionen Euro Bund), d) weitere 34 Millionen Euro LH München (für Maßnahmen beim Bau der Umweltverbundröhre Laim), e) 133 Millionen von der DB AG, f) zusätzliche 100 Millionen Euro vom Freistaat aus dessen Rücklagen und g) einem weiteren vom Freistaat gewährten Zuschlag in Höhe von 108 Millionen Euro aus Regionalisierungsmitteln, welche bisher angeblich/anscheinend zur Finanzierung von Bedarfsplanprojekten eingeplant waren (s.u.).

Im Nachtragshaushalt 2008 des Freistaates Bayern, fortgeführt dann im Doppelhaushalt 2009/2010, findet sich eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 750 Millionen Euro zur Deckung des bayerischen Finanzierungsanteiles für die 2. Münchner S-Bahn-Stammstrecke. Bestritten werden sollten die dann für die Folgejahre anstehenden Ausgaben aus GVFG-Landesmitteln, aus FAG-Mitteln und aus Regionalisierungsmitteln. Die Kosten des Projektes wurden auf 1,64 Milliarden Euro geschätzt, wobei davon ausgegangen wurde, dass vom Bund 792 Millionen Euro und vom Freistaat Bayern 848 Millionen Euro zu tragen seien. Von letzteren wiederum seien knapp 100 Millionen Euro bereits aus Landesmitteln finanziert worden („Unter Berücksichtigung der bereits teilweise vereinbarten und insoweit durchfinanzierten Planungen ergeben sich durch den Bau- und Finanzierungsvertrag noch Verpflichtungen von rund 750 Millionen Euro“.) Mit dem Nachtragshaushalt 2010 wurde dann die Verpflichtungsermächtigung für die vom Freistaat noch zu tragenden Kosten auf 936 Millionen Euro aufgestockt. Die Erhöhung um 186 Millionen Euro wurde begründet mit „Berücksichtigung der einzukalkulierenden Baukostensteigerungen“. Ausgegangen wurde Ende 2010 demzufolge von Projektkosten in Höhe von gut zwei Milliarden Euro.

Im März 2012 wurde dann anlässlich des Nachtragshaushaltes 2012 ein neuer Titel für die „Vorfinanzierung von Zuschüssen aus dem GVFG-Bundesprogramm für den Neubau der 2. Stammstrecke der S-Bahn München“ beschlossen und mit 350 Millionen Euro dotiert („zur Vorfinanzierung derzeit fehlender Bundesmittel“. „Weitere 350 Millionen Euro müssen anderweitig vorfinanziert werden.“).

Ende November 2012 waren diese Aussagen und die vorgenannten Haushaltsansätze bereits wieder Makulatur. Neben der Verpflichtungsermächtigung über 936 Millionen Euro soll es nun im Haushalt 2013/2014 eine weitere Verpflichtungsermächtigung über 459 Millionen Euro geben. Dieser Betrag setzt sich wie oben bereits ausgeführt zusammen aus a) dem Anteil des Freistaates am FMG-Darlehen in Höhe von 251 Millionen Euro, b) weiteren 100 Millionen Euro, die Bayern aus „Rücklagen“ in das Projekt zweite Stammstecke stecken will/soll, und c) einem weiteren Zuschlag in Höhe von 108 Millionen Euro aus Regionalisierungsmitteln, welche bisher angeblich/anscheinend zur Finanzierung von Bedarfsplanprojekten eingeplant waren („Entlastung des Freistaates Bayern durch den Bund bei Bedarfsplanprojekten 108 Mio. €; die bisher hierfür eingeplanten Regionalisierungsmittel werden zur Finanzierung der 2. Stammstrecke eingesetzt unter der Voraussetzung, dass der Bund diese Bedarfsplanprojekte weiterhin zeitgerecht umsetzt.“)

Im Ergebnis heißt dies, dass der Freistaat Bayern jetzt knapp 1,5 Milliarden Euro zum Projekt 2. Münchner S-Bahn-Stammstrecke beisteuern will/soll, was sehr bemerkenswert ist, waren doch noch Anfang dieses Jahres 936 Millionen Euro (zuzüglich der 350 Millionen zur Vorfinanzierung) die von der Staatsregierung genannte Obergrenze. Ausgegangen werden muss zudem davon, dass der Finanzierungsbeitrag, den die Staatsregierung aktuell vom Bund erwartet (257 Millionen Euro aus dem GVFG-Bundesprogramm und 128 Millionen Euro Anteil des Bundes am FMG-Darlehen), noch gar nicht gesichert ist und dass vor allem die Gesamtkosten des Projektes deutlich über den von der Staatsregierung aktuell angesetzten 2,047 Milliarden Euro liegen dürften. Das bedeutet, dass das finanzielle Risiko des Freistaates immens hoch ist. („Zur Realisierung der 2. Stammstrecke ist vom Freistaat Bayern gegenüber der DB AG anzuzeigen, dass die Durchfinanzierung der Maßnahme gesichert ist. In diesem Fall haftet der Freistaat für den Bundesanteil.“)

Gerade einen Monat später, also Ende Dezember 2012, gab es dann wieder eine neue Kostenschätzung, dieses Mal zu finden in einer Vorlage für den Aufsichtsrat der DB AG. Anstelle der von Zeil und Seehofer im November genannten 2,047 Mrd. Euro ging die DB AG als Projektträgerin nun von 2.433 Mio. Euro aus.3

Kosten in Milliardenhöhe, Kannibalisierung wichtiger Vorhaben

Die offizielle Kostenschätzung für die 2. S-Bahn-Röhre liegt bereits jetzt bei deutlich über zwei Milliarden Euro, weitere Kostensteigerungen liegen auf der Hand. Im Falle einer Realisierung der 2. Röhre würden dann die Gelder fehlen zur Finanzierung und Realisierung zahlreicher dringend notwendiger Nahverkehrsprojekte in ganz Bayern, so auch in München und der Region. Das heißt, die Röhre würde andere, wirklich wichtige Verkehrsprojekte kannibalisieren.4

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2  Die Röhre als Engpass?

Zur Propaganda mit den täglich 800.000 Fahrgästen – die Röhre ist kein Engpass bezogen auf die Fahrgastzahl:

Von den Röhren-Protagonisten wird ja als ein Argument immer wieder gerne vorgetragen, die S-Bahn-München sei 1972 für werktäglich 250.000 Fahrgäste konzipiert worden, würde aktuell jedoch von 800.000 Fahrgästen je Werktag genutzt. Diese Zahlen sind zwar nicht falsch, taugen aber mitnichten als Argument für die Dringlichkeit der 2. Röhre. Denn die Stammstrecke mit der alten Röhre ist von den Fahrgastzahlen her definitiv nicht der Engpass, ansonsten könnte dem ja auch abgeholfen werden mit dem Einsatz von Langzügen in der Hauptverkehrszeit (dreiviertel der Züge in der HVZ sind keine Langzüge!). Im Übrigen liegt die Zahl der S-Bahnfahrgäste je Werktag auf den beiden meist befahrenen Abschnitten (Hackerbrücke- Hbf. und Stachus – Marienplatz) bei ca. 225.000, für 2020 wird hier mit 230.000 bis 240.000 Fahrgästen („Querschnittsbelastung“) gerechnet. Damit sind die Fahrgastzahlen auf der Stammstrecke nur unwesentlich höher als die auf der Strecke der U3/U6 Marienplatz - Odeonsplatz (und die U-Bahn-Züge sind deutlich kürzer als S-Bahn-Langzüge!)

Die Röhre als Engpass bezogen auf die Zugzahlen:

Zunächst erklärten Staatsregierung und DB AG, dass die Ertüchtigung der alten Stammstrecke zu einer deutlichen Kapazitätserweiterung führen würde, genannt wurden bis zu 37,5 Züge je Stunde und Richtung.5 Jetzt wird dagegen verkündet, dass die alte Stammstrecke mit 27 bis 30 Zugpaaren in der Stunde an ihrer Leistungsgrenze sei. Dieses einmal übernommen, so gäbe es weitaus günstigere Möglichkeiten zur Entlastung der Stammstrecke als den Bau der milliardenteuren 2. Röhre. Aus dem Westen kommend werden sieben S-Bahn-Linien über die Stammstrecke geführt, aus dem Osten kommend dagegen nur fünf. Angesetzt werden müsste also bei den S-Bahnen aus dem Westen. So könnten beispielsweise von zwei Linien jeweils die Verstärkerzüge (das sind die Züge, die in der Hauptverkehrszeit für den 10-Minuten-Takt sorgen) über den Bahn-Südring geführt werden oder aber in Pasing oder am Starnberger Bahnhof kopfmachen.

Der Ostbahnhof als großer Engpass auf der Stammstrecke:

Zweifelsfrei großer Engpass auf der Stammstrecke ist die S-Bahn-Station Ostbahnhof. Immer wieder stauen sich die Züge in der Stammstrecke infolge von „Gleisbelegung am Ostbahnhof“. Auch der Staatsregierung ist diese Problematik bekannt und bewusst. In Beantwortung der Frage 3 der schriftlichen Landtagsanfrage Stammstrecke XIII des Verfassers dieser Zeilen weist die Staatsregierung mit Schreiben vom 21.05.2008 darauf hin, dass es die unzulänglichen Kapazitäten am Ostbahnhof
seien, die nicht mehr als 30 Zugpaare in der Stunde erlauben würden. Stellt sich die Frage, weshalb der Engpass Ostbahnhof nicht schon längst angegangen wurde.
Ein weiteres Gleis und eine weitere Bahnsteigkante würden hier große Entlastung schaffen.

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3     Zur Behauptung, Verbesserungsmaßnahmen auf den Mittel- und Außenästen wären nur sinnvoll nach Realisierung der zweiten Röhre

Von den Röhren-Anhängern in Staatsregierung und bei der DB AG wird jetzt lauthals propagiert, Ausbau- und Verbesserungsmaßnahmen auf den Mittel- und Außenästen wären erst zielführend, wenn die Röhre fertig gestellt und in Betrieb genommen sei. Genannt werden in diesem Kontext bevorzugt eine Express-S-Bahn zum Flughafen, der Ausbau des Westarmes der S 4 und der Erdinger-Ringschluss (z.B. MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag im Interview in der SZ am 20.04.2012). Die Nützlichkeit bzw. Notwendigkeit all dieser Maßnahmen wurde jedoch schon vor Jahrzehnten erkannt und erklärt. Alle diese Maßnahmen waren Jahre, bevor es überhaupt zu den ersten zaghaften Verständigungen zum Vorhaben 2. Röhre gekommen ist, Verkündigungs- und Beschlusslage!6

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4    Zum „alle und alles seligmachenden“ Betriebsprogramm 6T

Das Betriebsprogramm 6T ist das von den Röhren-Protagonisten als optimal bezeichnete Betriebsprogramm/Fahrplankonzept und damit sind auch die aktuellen Planfeststellungsunterlagen hinterlegt. Nach diesem Betriebsprogramm sollen zehn Prozent mehr S-Bahn-Züge durch die Stadt fahren, gleichzeitig gibt es aber deutlich weniger Züge zu wichtigen Innenstadthaltepunkten wie Hackerbrücke, Stachus, Isartor oder Rosenheimer Platz.

Gut ein Drittel der Linien soll über die neue Röhre geführt werden. Das bedeutet für zahlreiche S-Bahn-Fahrgäste neue, zusätzliche Umsteigezwänge. Gleichzeitig kommt es zu spürbaren Taktausdünnungen.7

Jetzt könnte man sagen: das ist ja nur ein Programm und das Ganze ist auch ausweitbar. Theoretisch wäre auch mehr vorstellbar, aber:

1) Engpässe a) Laim - Pasing, b) Ostbahnhof.

2) das liebe Geld: jetzt klemmt es bekanntlich an zu wenig Personal und auch an zu wenig Zuggarnituren, nicht einmal 700.000 Euro im Jahr seien locker zu machen, um den Anachronismus 20-Minuten-Takt Freitagnachmittag zu beenden. Wenn dann Milliarden in die Röhre versenkt worden sind, haben wir dann noch weitere Milliarden für die ergänzenden Investitionsmaßnahmen? Und wer glaubt dann wirklich an Mehrbestellung von Zugkilometern???

3) die S-Bahn ist ein System mit systembedingten Abhängigkeiten, ja Zwangsläufigkeiten. So ist z.B. eine Linie mit einem 20-Minuten-Takt (die soll es auch im 15er Raster noch geben) sinnvollerweise nach Durchbindung mit einer anderen Linie im 20er-Takt zu verknüpfen. Oder aber: die beiden Giesing-Linien (Holzkirchen und Kreuzstraße) werden, so der Abzweig östlich der Isar jemals realisiert würde (siehe unten), sinnigerweise über die neue Röhre geführt, weil ja nur dann das Kopfmachen (Wenden) am Ostbahnhof entfallen kann. Das wiederum würde bedeuten, dass die beiden Linien aus dem Westen, die mit den Giesinger-Linien verknüpft sind, in den zweifelhaften Genuss der neuen Röhre kommen ("Zweifelhafter Genuss" weil dann eben ganz viele wichtige Halte- und Verknüpfungspunkte für die Fahrgäste dieser Linien wegfallen, heißt neue, zusätzliche Umsteigezwänge entstehen).

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5    Keine Anbindung des S-Bahnhofes Laim an die Sendlinger Spange

Augenfällig ist des Weiteren, dass entgegen den Wünschen und Beschlüssen der LH München das Drei-Wege-Konzept am S-Bahnhof Laim nicht realisiert wird. Vom
S-Bahnhof Laim können die S-Bahnen ausschließlich in die Erste oder Zweite Stammstrecke fahren; die Realisierung der Sendlinger Spange mit einem Zwischen­halt am bestehenden Bahnhof Laim ist nicht nur nicht vorgesehen. Vielmehr wird eine spätere Realisierung eines solchen Haltes sogar noch erschwert, da weitere Zwangspunkte durch die baulichen Veränderungen hinzukommen werden, die den Nachbau einer zusätzlichen Ausfädelung am Ostkopf des Bahnhofs Laim deutlich verteuern.

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6    Verschieben des Südastes auf den St.-Nimmerleinstag

Auch im Erläuterungsbericht zur aktuellen 2. Planänderung des PFA 1 findet sich immer noch die Nennung des Wegfalles des Wendens (des „Kopfmachens“) der
S-Bahnen Richtung Holzkirchen und zur Kreuzstraße als erster Vorteil aus betrieb­licher Sicht gegenüber der Variante über den Südring („Aus betrieblicher Sicht verbessert der 2. S-Bahntunnel gemäß Variante B 1 die bestehende Situation erheblich, da das Wenden der S-Bahnlinien nach Holzkirchen und zur Kreuzstraße am Ostbahnhof entfällt und der Ostbahnhof dadurch an Leistungsfähigkeit gewinnt“. S. 77 des Erläuterungsberichtes). Tatsache ist jedoch, dass der Abzweig und der Ast in Richtung Giesing nicht mehr Bestandteil des Projektes 2. S-Bahn-Stammstrecke, so wie es sich im Genehmigungsverfahren befindet, sind und auf den St.-Nimmerleins­tag geschoben zu werden drohen.
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Daraus ergibt sich die Forderung, dass sämtliche Prognosen und Bewertungen, einschließlich der Standardisierten Bewertung, nur auf Basis der Stammstrecke ohne den Südast erfolgen dürfen.

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7    Zum Stand in den Genehmigungsverfahren und zur Forderung zu einem Moratorium erst nach Erlangung der Baureife

Stand zu den einzelnen Planfeststellungsabschnitten

Als ein Argument für die 2. Röhre wird der Fortschritt bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren genannt. Hierzu zwei Anmerkungen: 1. Seit Jahren wird die Mär verkündet, dass es (jeweils) in Kürze Baurecht gäbe, heißt die Planfeststellungsbeschlüsse gefasst würden. 2. Aktuell liegt für keinen der vier Planfeststellungsabschnitte Baurecht vor (Planfeststellungsabschnitt 1 (Laim – Hauptbahnhof), erste Tektur: nach der Einwendungs- und Anhörungsrunde liegen die Unterlagen beim
Eisenbahnbundesamt (EBA). Allerdings gibt es bereits wieder eine zweite Planänderung, mit der v.a. Ergebnisse des Anhörungsverfahrens zur ersten Tektur aufgegriffen werden.9 Bis Ende Oktober lief hier die Frist für die Einwendungen. Der Planfeststellungsabschnitt 2 (vom Stachus bis zur Isar) ist zwar genehmigt worden, allerdings klagt die DB AG als Projektträgerin vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen einen Teil der Auflagen. Außerdem laufen hier auch wieder bereits zwei Planänderungsverfahren. Während die Unterlagen zur ersten Tektur mittlerweile von der Regierung von Oberbayern (Anhörungsbehörde) an das EBA (Genehmigungsbehörde) weitergeleitet worden sind, endete gerade erst die Einwendungsfrist im Rahmen der zweiten Tektur10. Planfeststellungsabschnitt 3 neu (Isar – Ostbahnhof): erst vor wenigen Wochen hat die Regierung von Oberbayern als Anhörungsbehörde ihre Stellungnahme erstellt und an das EBA weitergeleitet. Planfeststellungsabschnitt 3 a (Ostbahnhof – Leuchtenbergring): auch hier wieder offen durch Planänderung. Hierbei geht es v.a. um Änderungen der Gleistopologie.)

Zur Forderung nach Abschluss der Verfahren trotz Unsicherheit über die Finanzierbarkeit

Der Forderung nach Fortsetzung und positivem Abschluss der Planungs- und Genehmigungsverfahren, vorgetragen u.a. vom Bayerischen Wirtschaftsminister und von CSU-Abgeordneten aus dem Münchner Umland, muss deutlich widersprochen werden. Zum einen wäre dann weiter das Ergreifen wirklich zielführender Verbesserungsmaßnahmen blockiert, würden weitere Millionen Euro vergeudet. Zum anderen dürften bei Unsicherheit über die Finanzierung überhaupt keine Planfeststellungsbeschlüsse gefasst werden. Denn Voraussetzung für die Planfeststellung ist die Planrechtfertigung. Für letztere wiederum ist die Finanzierbarkeit Bedingung. So verweigerte das Luftamt Nord bei der Regierung von Mittelfranken im Juni 2007 die Planfeststellung für den Ausbau des Verkehrslandesplatzes Hof-Plauen u.a. mit der Begründung, dass die für die Planrechtfertigung des Vorhabens notwendige Finanzierbarkeit fehlen würde.11

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8    Nochmals unsere grundsätzlichen Kritikpunkte an der 2. Röhre

die Röhre ist alles andere als ein zielführendes Projekt, weil:

  1. die Milliardenkosten in keinerlei tragbarem Verhältnis zum Nutzen stehen
    würden,

  2. es sogar für zigtausende von Fahrgästen zu massiven Verschlechterungen käme (zusätzliche Umsteigezwänge, Taktausdünnungen ...),

  3. die Realisierung der 2. Röhre das definitive Aus für den jahrzehntelang versprochenen 10-Minuten-Takt bedeuten würde,

  4. die Radiallastigkeit und die Ost-West-Lastigkeit des Münchner Schnellbahn-Systems weiter verfestigt würden (durch das Ausdünnen des Anfahrens wichtiger Verknüpfungspunkte für Nord-Süd),

  5. Brandschutz- und Rettungskonzept riesige Lücken aufweisen,

  6. die Finanzierung des Projektes mit Kosten in Milliardenhöhe wichtige Maßnahmen in ganz Bayern, so auch bei uns in der Region, kannibalisieren würde,

  7. es von Anbeginn (Mai 2001 Beschlussfassung) kein auch nur ansatzweise tragfähiges Finanzierungskonzept gab, gleichzeitig aber munter Geld vergeudet (ca. 75 Mio Euro), Planungskapazitäten gebunden und wirklich wichtige Verbesserungsmaßnahmen blockiert worden sind.

Zu a) laut Planfeststellungsunterlagen soll die Röhre eine Steigerung des ÖV-Anteils von 36,2 % auf 38,2 % im Stadt-Umland-Verkehr und von 48,5 % auf 48,9 % im Stadtverkehr bringen.

zu b) die Verbesserung vom 20- auf einen 15-Minuten-Takt zu Tagesrandzeiten hilft wenig, wenn z.B. gleichzeitig zu Spitzenzeiten der Takt vom 10er auf den 15er ausgedünnt wird (z.B. Gernlinden, Gilching, Neuaubing, Esting, Lochhausen) und die Fahrgäste aus Aubing, Puchheim, FFB etc. werden sich auch freuen, wenn sie ab 19.30 Uhr nur mehr einen 30-Minuten-Takt haben.

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9    Unsere Alternativvorschläge

Nachfolgend wesentliche Bausteine unseres Alternativkonzeptes:

  1. Verbesserung der Leit-, Steuerungs- und Regeltechnik, die Herstellung und Gewährleistung von Redundanz für die Verkehrsabwicklung auf der Stammstrecke, denn immer wieder sind es Rechnerausfälle im elektronischen Stellwerk sowie Ausfälle der Zugnummernmeldeanlage bzw. der Signalanlagen, die zur Blockierung der Stammstrecke führen,

  2. Anschaffung weiterer Zuggarnituren, damit endlich in der Hauptverkehrszeit mehr Langzüge eingesetzt werden können und damit wir nicht immer wieder mit Zugausfällen oder weiteren Verkürzungen der Züge infolge zu hohen Ausfalls an
    S-Bahn-Garnituren konfrontiert werden,

  3. Beseitigung von Engpässen und Zwangspunkten im Münchner S-Bahn-Netz wie Fahrstraßenkreuzungen, Eingleisbetrieb und Mischverkehre, so beispielsweise auf dem Westarm der S 4 einschließlich des Engpasses Westkopf Pasing und auf der S 1 sowie der Eingleisbetrieb zwischen Perlach und Giesing,

  4. Beseitigung der Engpässe bei den Kapazitäten für den S-Bahn-Verkehr am Ostbahnhof,

  5. Verlängerung der U 5 bis Pasing,

  6. Ertüchtigung des Bahn-Südringes erst einmal zur Aufnahme einiger weniger S-Bahnen,

  7. Ausbau der Sendlinger Spange zwischen Pasing und dem Heimeranplatz unter Einbindung des Bahnhofes Laim, und Umbau eben dieses Bahnhofes Laim zum Umsteigebahnhof,

  8. behindertengerechter Ausbau von Bahnhöfen,

  9. Ausbau zwischen Zamdorf und Johanneskirchen,

  10. Organisation eines einigermaßen vernünftigen Informationsangebotes.

Für dieses Konzept, das nicht nur von uns GRÜNEN im Bayerischen Landtag, sondern von allen relevanten Fahrgast-, Verkehrs- und Umweltverbänden getragen wird, sprechen niedrigere Kosten, größerer verkehrlicher Nutzen und schnellere Realisierbarkeit.

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Zuletzt ein Seehofer-Schmankerl:

Zuletzt zur Einordnung all der schönen Versprechungen der Staatsregierung ein Zitat aus einem Antwortschreiben von Ministerpräsident Horst Seehofer an den Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin, der sich beim Ministerpräsident für Verbesserungen bei der S-Bahn eingesetzt hatte.

Seehofer (mit Schreiben vom 05.07.2010): „Sicher könnten Ausweitungen der Kapazitäten und Betriebszeiten ebenso wie Taktverdichtungen die Attraktivität der Münchner S-Bahn weiter steigern. Mit dieser Attraktivitätssteigerung müsste aber auch eine Erhöhung der tatsächlichen Nachfrage verbunden sein. Dies erscheint angesichts des bereits jetzt hohen Anteils des öffentlichen Nahverkehrs von rund 44 Prozent am Gesamtverkehrsaufkommen der Landeshauptstadt München aber eher fraglich.

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1 Die Staatsregierung fordert gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit vom Bund die nach dem GVFG maximal zulässige Förderung in Höhe von 60 % der zuwendungsfähigen Kosten, was etwa 50 % der gesamten Projektkosten ausmachen würde (die Planungskosten sind bspw. nicht zuwendungsfähig). Von Seiten des Bundes war jedoch stets darauf hingewiesen worden, dass die Bundesförderung „unter Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“ erfolgen würde. Die Staatsregierung kannte die Dotierung des Topfes der GVFG-Bundesmittel und ihr war sehr wohl bewusst, dass die Mittel, die für Projekte in allen 16 Bundesländern vorgesehen sind (bis 2019 je Jahr ca. 330 Millionen Euro), nicht zum größten Teil nach Bayern fließen werden. Ausweislich der Beantwortung von Anfragen und anderer Quellen rechnete die Staatsregierung bis mindestens Mitte 2010 nur mit 100 Millionen Euro an Bundesmitteln für die 2. Röhre und zuletzt mit 200 Millionen Euro (mit Schreiben vom 30.08.2010 (LT-Drs. 16/5629) erklärte die Staatsregierung, dass für Bayern bis 2019 600 Millionen Euro aus den GVFG-Bundesmitteln zu erwarten seien, diesen Betrag korrigierte sie dann später hoch auf 700 Millionen Euro (Beantwortung der schriftlichen Anfrage Stammstrecke 43 durch die Staatsregierung vom 26.04.2012, LT-Drs. 16/12035, und Ergebnisprotokoll einer Besprechung vom 13.01.2012 zwischen Vertretern der LH München und dem StMWIVT). Von diesen 600 bzw. 700 Millionen Euro waren und sind jedoch laut Staatsregierung 500 Millionen Euro vorgesehen („gebunden“) für andere Projekte des SPNV und des allgemeinen ÖPNV in der Region München sowie in Nürnberg, Augsburg und Würzburg (ebd.)).

 

2 Das zuletzt von der Staatsregierung ins Spiel gebrachte Konstrukt, die gewaltige Finanzierungslücke beim Projekt der 2. Münchner S-Bahn-Röhre etwas kleiner machen zu wollen, indem die Flughafengesellschaft München (FMG) sich an den Investitionskosten beteiligt, nachdem ihr zuvor das restliche Gesellschafterdarlehen erlassen worden ist, halten wir für einen Taschenspielertrick im verzweifelten Bemühen, die Finanzierung der Röhre zu stemmen.

Gegen ein solches Vorgehen sprechen u.E. bereits die haushaltsrechtlichen Vorgaben. Bei der Aufstellung wie bei der Ausführung des Haushaltsplanes sind zwingend die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit zu beachten (§ 7 Abs. 1 BayHO, § 6 Abs. 1 HGrG). Von daher sollte der Verzicht auf die Rückzahlung von von der öffentlichen Hand gewährten Darlehen nicht in Frage kommen, sofern der Darlehensnehmer in der Lage ist, das Darlehen in absehbarer Zeit zurückzuzahlen. Die einschlägige Rechtsprechung in Deutschland zeigt auf, dass beispielsweise der Verzicht auf Verzugszinsen oder aber der Verzicht auf den Widerruf der Bewilligung von Subventionen, auch dann, wenn ein solcher Widerruf aus der Warte des Subventionsrechtes im Ermessen der Behörde läge, aus haushaltsrechtlichen Gründen untersagt ist. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass es der Staatsregierung wie auch einzelnen Mitgliedern der Staatsregierung nicht zusteht, am Landtag als Haushaltsgesetzgeber vorbei den Verzicht auf die Rückzahlung von vom Freistaat gewährten Darlehen zuzusagen.

 

3) In einer am 07.01.2013 nachgeschobenen Pressemitteilung erklärt die DB AG die Steigerung gegenüber dem im November genannten Betrag mit a) einer einkalkulierten Inbetriebnahme erst 2012 und b) dem Ansatz „möglicher Kosten aus Risiken, die sich in der Zukunft ergeben könnten und deren Eintrittswahrscheinlichkeit mit über 50 % bewertet werden“.

 

4) Die Realisierung zahlreicher dringend notwendiger Investitionsvorhaben des Schienenpersonenfern-, des Schienengüter- und des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), aber auch des allgemeinen ÖPNV (U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse) in Bayern droht aufgrund unzureichender Finanzausstattung auf den St.-Nimmerleinstag geschoben zu werden. Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist bekanntermaßen ausweglos unterfinanziert, allein für wichtige Schienenprojekte in Bayern fehlen mehrere Milliarden Euro. Ebenso krass wie bei den Bedarfsplanprojekten des Bundes ist das Missverhältnis zwischen Investitionsbedarf und zur Verfügung stehenden Finanzmitteln im SPNV und im allgemeinen ÖPNV. Aus dem GVFG-Bundesprogramm, das der Förderung von „ÖPNV-Schienenverkehrswegen in Verdichtungsräumen und den dazugehörigen Randgebieten mit zuwendungsfähigen Kosten über 50 Millionen Euro“ dient und das bekanntlich im Jahr 2019 ausläuft, stehen je Jahr ca. 330 Millionen Euro für Projekte in allen 16 Bundesländern zur Verfügung. Aus Bayern gibt es für die nächsten Jahre Anmeldungen für Projekte in Oberbayern, Mittelfranken, Schwaben und Unterfranken, deren Gesamtkosten auf gut 5 Milliarden Euro beziffert werden. Das Volumen der hierfür von Bayern gewünschten Finanzhilfen des Bundes liegt bei gut 2,5 Milliarden Euro. Niemand kann nun erwarten, dass der Bund in den nächsten Jahren zwei Drittel seiner Mittel aus dem GVFG-Bundesprogramm, welche wie gesagt der Förderung von Projekten in allen Bundesländern dienen sollen, nach Bayern gibt.

Auch aus den komplementär einzusetzenden Landesmitteln (FAG-Mittel, Mittel aus dem GVFG-Landesprogramm und nicht konsumtiv eingesetzte und ggf. angesparte Regionali­sierungsmittel) ist die Finanzierung aller als dringlich angesehenen SPNV-Projekte nicht ansatzweise darstellbar. In Konkurrenz um diese Landesmittel stehen zudem zahlreiche kleinere Vorhaben des SPNV wie etwa die Entschärfung von Engpässen (beispielsweise Fahrstraßenkreuzungen oder Eingleisbetriebe) oder der behindertengerechte Umbau von Stationen sowie des allgemeinen ÖPNV und partiell auch des Straßenbaus. Werden jetzt Projekte des SPNV, die eigentlich aus Landesmitteln und aus GVFG-Bundesmitteln zu finanzieren wären, aus Mitteln für Bedarfsplanprojekte des Bundes finanziert, so wie dies aktuell für einige Maßnahmen zur Ertüchtigung des Bahnknotens München vorgeschlagen wird, so bedeutetet das wiederum, dass die Realisierung anderer Bedarfsplanprojekte in Bayern verzögert, wenn nicht gar verhindert wird. Zu nennen wären hier beispielsweise die ABS Nürnberg – Markt­redwitz – Reichenbach, die ABS München – Mühldorf – Freilassing (die Komplettmaßnahme), aber auch die Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen Regensburg und Hof.

 

5) Als Hauptbegründung der Ertüchtigung der alten Stammstrecke in den Jahren 2003/2004 (im Wesentlichen elektronisches Stellwerk und linienförmige Zugbeeinflussung (LZB)) diente das Argument, die Stammstrecke hätte dann nach Abschluss der Arbeiten eine Kapazität von 34 Zügen je Stunde und Richtung. In den Planfeststellungsunterlagen der DB AG zur Zweiten Röhre heißt es bezüglich der Kapazitäten auf der alten Stammstrecke sogar: „die derzeit eingebaute LZB ermöglicht 37,5 Zugpaare pro Stunde auf der bestehenden S-Bahn-Stammstrecke“ (z.B. PFA 1, Anlage 1, Teil A, Seite 25, im aktuellen Erläuterungsbericht heißt es auf S. 26: „Durch den Einsatz eines KS-Signalsystems sowie LZB-Technik kann eine theoretische Mindestzugfolgezeit von 1,6 Minuten angesetzt werden“.). Bekanntlich fuhren über mehrere Jahre im Herbst und Winter zur Hauptverkehrszeit (wegen des vom EBA verhängten „Tempolimits“) lediglich 24 Züge je Stunde und Richtung durch die Röhre und im Frühjahr und Sommer dann wieder 30 Züge.

 

6) Belegt sei dies mit dem Beispiel der S 4:

Die S 4 ist auf ihrem Westarm neben der S 1 die S-Bahn-Linie, die vor der Einbindung in die Stammstrecke die höchste Querschnittsbelastung am Tag aufweist, heißt die meisten Fahrgäste hat. Ausgerechnet die S 1 und die S 4-West sind auch die beiden S-Bahn-Linien ohne eigene Gleise und mit Mischverkehr (neben den S-Bahnen Regional-, Fern- und Güterverkehr). Dringend notwendige Investitionsmaßnahmen wie beispielsweise die Entschärfung des Engpasses Westkopf Pasing (Fern- und Regionalzüge von und nach Kempten, Memmingen, Lindau müssen sich mit der S-Bahn stadteinwärts ein einziges Gleis teilen) oder der drei- bzw. viergleisige Ausbau bis Buchenau oder besser bis Grafrath werden immer wieder zugesagt, dann aber auch immer wieder in die weitere Zukunft verschoben.

Seit einigen Jahren und auch jetzt aktuell wurden und werden von den Röhren-Protagonisten in Staatsregierung und bei der DB AG sämtliche S 4-"Planungen" und -Beschlüsse in Abhängigkeit zur 2. Röhre kommuniziert (zuletzt die famose NKU). Aber diesen Schuh, diese konstruierte Abhängigkeit dürfen sich diejenigen, die für Verbesserungen auf der S 4 eintreten, nicht anziehen. Denn der Ausbau der S 4 war nicht nur Verkündigungs-, sondern Beschlusslage, lange Jahre bevor es überhaupt erst zu den ersten Verständigungen zum Vorhaben 2. Röhre gekommen ist. Fakt ist auch, dass der Ausbau der S 4 zum Opfer eben des Phantomprojektes 2. Röhre gemacht wurde.

Im August 1991 erteilte die Bayerische Staatsregierung der damaligen Bundesbahn den Auftrag, Investitionsmaßnahmen zu planen, die einen 10-Minuten-Takt bis nach Buchenau möglich machen. Erst knapp zehn Jahre später, im Mai 2001, kam es zur Vereinbarung zwischen der Staatsregierung und der Spitze der Landeshauptstadt München bezüglich der 2. Röhre. In den folgenden Jahren genossen S 4-Ausbau und 2. Röhre zumindest in den Verlautbarungen und Vereinbarungen dann noch die gleiche Priorität, von der Staatsregierung wie von der DB AG wurde immer wieder die Fertigstellung beider Projekte für spätestens 2010 verkündet. In der Rahmenvereinbarung über das 10-Jahres-Entwicklungskonzept für den Schienenverkehr im Freistaat Bayern zwischen der DB AG und dem Freistaat Bayern vom September 2003 war beispielsweise der Ausbau („S 4 West: Streckenausbau zur Einführung des 10-Minuten-Taktes“) als „einvernehmlich als prioritär eingestufte Maßnahme“ enthalten. So ab Mitte 2006 ging es auf einmal immer weniger schnell, aber immerhin wurde das Projekt dann im Jahr 2007 durch die Staatsregierung noch für das GVFG-Bundes­programm angemeldet (als Baubeginn wurde das Jahr 2011 angekündigt).

Erst mit den Beschlüssen des Kabinetts (23. März 2010) und des Landtages (14. April 2010) mit einer Mehrheit aus CSU, FDP und SPD zum Bahnknoten München wurde entschieden, dass der S 4-Ausbau nicht mehr erste Priorität genießen und, wenn überhaupt, auch nur mehr bis Eichenau geführt werden soll. Konsequenterweise erfolgte ja dann auch die Abmeldung aus dem GVFG-Bundesprogramm durch die Staatsregierung. Begründung: der Bund könne neben der Röhre nicht auch noch Gelder für den S 4-Ausbau bewilligen.

Dass man schon sehr viel weiter war, belegen eine Reihe von Bekanntmachungen und Ausschreibungen. Hier als ein Beispiel: in der Staatszeitung vom 14. Juli 2006 war die "Projektsteuerung im Zuge der Leistungsphasen 1 und 2 von Ingenieurbauwerken, Verkehrsanlagen und technischer Streckenausrüstung für den S-Bahn-Ausbau München - Pasing - Buchenau" ausgeschrieben. Oder aber: im Amtsblatt der EU aus dem Oktober 2005 fand sich die Ausschreibung der Planung für die Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI für den "4gleisigen Oberbau der ca. 19 km langen zweigleisigen Mischbetriebsstrecke München - Pasing - Buchenau sowie deren höhenfreie Einbindung in den Bf. München-Pasing." Des Weiteren konkret benannt waren im Ausschreibungstext der "Ersatz von 5 Bahnübergängen durch Bauwerke" und der "barrierefreie Ausbau von 5 S-Bahnstationen".

 

7) Auswirkungen des Betriebskonzeptes 6T

Verschlechterungen:

35 Bahnhöfe würden die Direktverbindung ohne Umsteigen zum/zur Hirschgarten, Donnersberger Brücke, Hackerbrücke (Busbahnhof), Karlsplatz (Stachus), Isartor und Rosenheimer Platz (Gasteig) verlieren. Dadurch würden 210 Direktverbindungen zerbrochen.

Drei Bahnhöfe hätten nur noch zur Hauptverkehrszeit direkte S-Bahnen nach Hirschgarten, Donnersberger Brücke, Hackerbrücke (Busbahnhof), Karlsplatz (Stachus), Isartor und Rosenheimer Platz (Gasteig). Außerhalb der Hauptverkehrszeiten müsste umgestiegen werden.

14 Bahnhöfe würden zur Hauptverkehrszeit den 10-Minuten-Takt verlieren und nur noch im 15-Minuten-Takt bedient werden.

Sechs Bahnhöfe würden zur Hauptverkehrszeit den 20-Minuten-Takt verlieren und nur noch im 30-Minuten-Takt bedient werden.

32 Bahnhöfe würden im Spätverkehr den 20-Minuten-Takt verlieren und nur noch im
30-Minuten-Takt bedient werden.

Verbesserungen:

An 15 Bahnhöfen sollen Express-S-Bahnen halten. Allerdings träte nur bei acht Bahnhöfen ein Zeitgewinn von mehr als vier Minuten bis Pasing bzw. Leuchtenbergring ein. Zusätzliche Zeitgewinne entlang der Stammstrecke sind hier nicht berücksichtigt, denn sie würden durch das Aussteigen in extremer Tieflage und durch den Umsteigezwang zu sechs Bahnhöfen der alten Stammstrecke wieder verloren gehen.

Zehn Bahnhöfe sollen zur Hauptverkehrszeit einen 15-Minuten-Takt anstelle des heutigen 20-Minuten-Takts erhalten. Davon liegen 8 Bahnhöfe an Strecken, die ein zweites Gleis erhalten sollen und wo somit eigentlich ein 10-Minuten-Takt möglich wäre.

33 Bahnhöfe sollen tagsüber einen 15-Minuten-Takt anstelle des heutigen 20-Minuten-Takts erhalten. Davon liegen 28 Bahnhöfe an Strecken, die überhaupt keinen Ausbau erfahren sollen und die heute schon durch große Unzuverlässigkeit bekannt sind (z.B. S 1 nach Freising). Diese Taktverdichtung funktioniert also höchstens auf dem Papier. Die restlichen fünf Bahnhöfe liegen im Würmtal an der S 6 – wo es seit mehr als 110 Jahren vier Gleise gibt und die S-Bahn bereits heute alle 10 Minuten fahren könnte.


8)

Hieß es in den Erläuterungsberichten zum ursprünglichen Verfahren unter der Überschrift „Hauptast / Nebenast“: „Beide Äste sind Bestandteil der 2. S-Bahn-Stammstrecke München. Als Hauptast wird die Anlage vom Bf. Laim bis Bf. Ostbahnhof, als Nebenast die Anlage vom Abzweig Max-Weber-Platz bis zum Bf. Leuchtenbergring bezeichnet,“ so findet sich nun folgende Formulierung unter der Überschrift „Ostast / Südast“: „Als Ostast wird die Anlage von der Abzw Praterinsel bis Bft Leuchtenbergring bezeichnet. Der Ostast als Teilstrecke der 1. Ausbaustufe der 2. S-Bahn-Stammstrecke München ist Gegenstand der vorliegenden Planfeststellungsunterlagen. Der Südast ist Bestandteil einer späteren Ausbaustufe der

2. S-Bahn-Stammstrecke. Der Südast soll die Anbindung der südlichen Streckenäste des Münchener S-Bahnnetzes in Richtung Giesing an die 2. S-Bahn-Stammstrecke ermöglichen.“ (Erläuterungsbericht, S. XXI, Anlage 1B).

9)

Die ohnehin schon sehr knapp bemessenen Zu- und Abgangsmöglichkeiten sollen weiter eingeschränkt werden. So ist neuerdings vorgesehen, dass beim Hp Hauptbahnhof die Anzahl der Fahrtreppen (Rolltreppen) in Richtung Schützenstraße von sechs auf drei halbiert werden soll (S. 161 Erläuterungsbericht). Zum Ausgleich sollen die drei vorgesehenen Festtreppen von ursprünglich geplanten 2,40 m auf jeweils drei Meter verbreitert werden, was aber nicht den Wegfall von drei Rolltreppen mit jeweils einem Meter Treppenbreite kompensieren kann.

Was den Aufgang/Abgang zwischen der Zweiten Stammstrecke und dem Bahnsteig der U 4/5 (Zentraler Aufgang) betrifft, so hat die DB AG bereits mit der ersten Planänderung 2010 die Breite der beiden vorgesehenen Rolltreppen von einem Meter auf 0,8 m und die Breite der Festtreppe von 2,4 m auf 1,8 m verringert (S. 162 Erläuterungsbericht). Hintergrund war wohl, dass die nach der ursprünglichen Planung verbleibende Wegbreite zwischen dem Treppenaufgang und dem Gleisbereich der U4/U5 zu erheblichen Gefährdungen der Fußgänger durch den U-Bahnbetrieb geführt hätte. (Auf S. 159 des Erläuterungsberichtes werden u.a. „ausreichende Durchgangsbreiten auf dem Mittelbahnsteig zwischen den Fahrtreppenanlagen und der Bahnsteigkante“ als Randbedingung bei der Dimensionierung und Ausformung der Querschnitte benannt.)

Wir halten auch die aktuelle Planung für nicht genehmigungsfähig. Der Fußgängerverkehr zwischen der Zweiten Stammstrecke und der U4/U5 dürfte zu stark sein, um mit den Treppen in reduzierter Breite und damit Kapazität bewältigt werden zu können. Bei Rolltreppen nimmt eine Fußgängerspur 0,5 m Breite in Anspruch, deshalb sind Standardfahrtreppen mit einer für den Fahrgast nutzbaren Breite von einem m dimensioniert, zwei Erwachsene können so nebeneinander auf einer Stufe Platz haben bzw. eine Überholung ist möglich. Eine nutzbare Breite von 0,8 m hat zur Folge, dass de facto nur noch eine einzige Fußgängerspur zur Verfügung steht und ein Überholen („links gehen, rechts stehen“) nicht mehr möglich ist. Gemäß Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (EBO) müssen sämtliche Zugangsanlagen so dimensioniert sein, dass ein störungsfreier Zu- und Abfluss der Fahrgastströme gewährleistet ist.

Derzeit wird die Ebene -1 des U-Bahnhofs Hauptbahnhof komplett erneuert. Die Bauarbeiten sind bereits in vollem Gange. Fertigstellung soll Ende 2013 sein. Die DB AG plant, beim Bau der Zweiten Stammstrecke nicht nur in die Bausubstanz der jetzt erneuerten Ebene -1 einzugreifen. Bei einem für 2015 angestrebten Baubeginn bedeutet dies, dass nur ein Jahr nach der Fertigstellung die neue Ebene -1, die eine Nutzungsdauer von 40 Jahren haben soll, erneut abgebrochen wird. Geplant ist zudem die Schließung der Schalterhalle und des Verbindungsbauwerks zwischen der U1/U2 und dem Hauptbahnhof (Fernverkehr) selbst. Ein Zugang zwischen dem Fernverkehrsbahnhof und der U1/U2 ist dann nur noch über den Umweg durch die Ebene -1 über der Ersten S-Bahnstammstrecke möglich, was zu deutlich verlängerten Umsteigewegen führt. (S. 233 - 237 Erläuterungsbericht).

10

Das zweite Planänderungsverfahren PFA 2 betrifft/beinhaltet Änderungen der bisherigen Linienführungen/Neutrassierungen von Strom-, Gas-, Wasser-, Fernwärmeleitungen und einer Trasse Straßenbeleuchtung im Kontext mit der "Statik der Gründungen der bauzeitlichen Lärmschutzwände (LSW) am Marienhof.

11)

Regierung von Mittelfranken - Luftamt Nordbayern, 18.06.2007, Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Verkehrslandeplatzes Hof-Plauen zum Verkehrsflughafen: „Der Antrag der Flughafen Hof-Plauen GmbH & Co. KG vom 26.07.2005 auf Feststellung der Pläne für die Verlegung und Verlängerung der Start-/Landebahn des Verkehrslandeplatzes Hof-Plauen nebst dazugehöriger Flugbetriebsflächen und Anlagen der technischen Ausrüstung, Hochbauflächen sowie Ausbau- und Ersatzmaßnahmen, wird abgelehnt.“ … „Damit steht nach Überzeugung der Planfeststellungsbehörde fest, dass eine Finanzierung des Eigenanteils der Flughafen Hof-Plauen GmbH & Co. KG unter Mitwirkung der beteiligten bayerischen Kommunen, selbst bei einem staatlichen Zuschuss in Höhe von 31,8 Mio. €, ausgeschlossen ist. Ebenso wenig kommt mangels entsprechender belastbarer Nachweise eine sonstige Finanzierung über private Investoren in Betracht. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben scheitert deshalb bereits an der fehlenden Finanzierbarkeit des Vorhabens.“